Schottland – Eisenbahnromantik und Landschaftsträume mit Margrit Heinimann
Schottland – Eisenbahnromantik und Landschaftsträume
Schottland, das sind saftig grüne Wiesen mit Schafen und zotteligen Hochlandrindern sowie vielen Hasen, bewaldete Hügel und idyllische Seen mit imaginären Monstern sowie Burgen und Schlösser, nostalgische Eisenbahnfahrten mit alten Waggons und Dampflokomotiven. Wir haben es erlebt, dieses eindrückliche Schottland mit all seinen Facetten. Und wir bereisten es in einem bequemen Bus und logierten in schönen Hotels mit ausnahmslos vielseitigen, leckeren Buffets am Morgen und auserlesenen Drei- bis Vier-Gang-Menüs am Abend.
Ein kurzer Rückblick:
Die Reise, die in den frühen Morgenstunden in der Schweiz begann, führte uns via Elsass, Luxembourg und Belgien ins holländische Rotterdam, von wo wir eine angenehme, ruhige Überfahrt nach Kingston upon Hull antraten. Die Fähre war komfortabel eingerichtet mit Zollfrei-Geschäften, Bars, Salon, Unterhaltungsprogramm sowie grossem Restaurant, in dem wir am Abend ebenso wie am Morgen ein sehr reichhaltiges Buffet genossen. Und als willkommene Zugabe gab es eine extra Stunde Nachtruhe, die uns durch die Zeitumstellung aufGMT zuteil wurde. Obwohl die Gäste – im Gegensatz zu Fahrer und Reiseleitung – schon auf der Hinfahrt etwas vom gekürzten Nachtschlaf nachholen konnten, kam diese zusätzliche Stunde allen sehr entgegen. Jedenfalls zeigte sich die Reisegruppe am nächsten Morgen gut erholt und gespannt auf das, was es im britischen Königreich wohl zu entdecken geben würde…
Auf unserer Fahrt nordwärts besuchten wir zuerst das bezaubernde mittelalterliche Städtchen York, bevor wir das dortige Eisenbahnmuseum besichtigten. Nebst Lokomotiven und Waggons war da auch ein altes Triebwerk von Sulzer ausgestellt, wodurch wir mit etwas Stolz erkannten, wie früh schon Schweizer Präzisionstechnik auch im Ausland bekannt und begehrt war.
Die Weiterfahrt führte uns durch liebliche Landschaften des nordöstlichen England und der schottischen Lowlands nach Edinburgh, der majestätischen schottischen Hauptstadt, Wie Rom ist sie auf sieben Hügeln erbaut, aber ihr Wahrzeichen, das mächtige Edinburgh Castle, thront auf dem Felsen eines erloschenen Vulkans, dem Castle Rock. Auf einer ausgiebigen Stadtrundfahrt am nächsten Morgen lernten wir nicht nur die Metropole und ihre Sehenswürdigkeiten näher kennen, sondern bekamen auch Einblick in ihre bewegte Vergangenheit und den heutigen Alltag. Am Nachmittag konnte jeder noch seinen persönlichen Interessen und Entdeckungen nachgehen.
Am folgenden Tag gab es nochmals etwas für die Eisenbahn-Romantiker: Eine Fahrt mit der Bo’ness and Kinneil Railway. Man sagt ja, dass schottische Eisenbahnfans statt mit Modelleisenbahnen zu spielen, Bestandteile alter Bahnhöfe aufbauen und auf ausgedienten öffentlichen Schienennetzen gleich echte nostalgische Dampflokomotiven und Waggons fahren lassen. Und ja, das können wir bestätigen, sogar das Zugpersonal und Billette gaben den Eindruck, in die Vergangenheit zu reisen!
Im schottischen Hochland stand dann die Besichtigung eines der ältesten noch bewohnten Schlösser Schottlands, dem “Blair Castle” – auch “White Castle” genannt -, auf dem Programm. Mehr als nur in vergangene Zeiten, bietet es auch einen Einblick in die prunkvolle Gegenwart des Adels sowie hochgehaltene Traditionen. In der riesigen Parkanlage finden jedes Jahr zu Ehren des Besitzers, dem Clanchef Herzog von Atholl, die berühmten “Atholl Gathering & Highland Games” statt. In dieser prachtvollen Umgebung hätten wir natürlich gerne ein paar weitere gemütliche Stunden verbracht, doch es galt noch so vieles mehr zu entdecken auf unserer Reise…
Und da war das Nächste, und zwar in Form unseres Hotels, dem “Duke of Gordon”, im Herzen der schottischen Highlands.
Die Gäste waren begeistert von seiner altehrwürdigen, schlossähnlichen Ambiance, bei der sogar ein nächtlicher Schlossspuk nicht fehlte. Es brauchte wenig Fantasie, sich die vornehmen Gäste des 18. und 19. Jahrhunderts in den antiken, gepolsterten Sesseln, dem Speisesaal mit den enormen Gemälden, im Aufenthaltssaal mit den mehrarmigen Deckenleuchten sowie Kandelabern und Hirschgeweihen an den Wänden, einem typisch britisches Cheminée, sowie einem runder Holz-Tanzboden vorzustellen. Übrigens fehlte auch der obligate schottische Schlossspuk nicht, denn während ich – ohne Fernbedienung vom Fernseher entfernt – im Badezimmer war, schaltete sich dieser plötzlich lautstark an. Ob da Nessie oder ein Geist sein Unwesen trieb, blieb offen… jedenfalls bis am nächsten Morgen, als meine Zimmernachbarn in schallendes Gelächter ausbrachen und erzählten, dass bei ihnen während der Programmsuche mit Fernbedienung Bild und Ton immer wieder verschwanden (offensichtlich durch einen Funkfehler zu meinem Fernseher). Was für ein Gaudi im ganzen Bus!
Am 5. Tag besuchten wir Inverness, dem an der Nordostküste gelegenen kulturellen Zentrum der schottischen Highlands. Dann gings, vorbei an grossen goldfarbenen Weizenfeldern und vielen Destillerien, in denen die Ernte in das bekannte “flüssige Gold” Schottlands verwandelt wird. Eine Führung durch einen dieser Betriebe gab uns höchst interessante Einblicke in die Entstehung von Whisky. Und natürlich gab es am Ende auch eine Degustation sowie Gelegenheit, für die Nachbarin, die zuhause zu den Pflanzen schaute, ein Mitbringsel in Form von einer Flasche des edlen Tropfens, ein paar hübsch verpackten Probier-Fläschchen, Whisky-Marmelade oder Whisky- Kosmetika zu kaufen…
Die folgende Nacht erfolgte ganz ohne geisterhafte Events. Die Erwartung von Ungeheuerlichem und Ungeheuern verschob sich auf den nächsten Tag…
Erst genossen wir aber wiederum eine romantische Eisenbahnfahrt, diesmal mit der nostalgischen dampfbetriebenen Strathspey Railway. Anschliessend war eine Schifffahrt auf dem Kaledonischen Kanal und dem sagenumwobenen Loch Ness angesagt. Also doch wieder so etwas wie Spuk! Aber wenigstens soll es sich bei Nessie um ein liebliches Monster handeln. Wir durften gespannt sein…
Das sonst launische schottische Wetter zeigte sich von seiner besten Seite, was uns eine gute Sicht auf den See und die bezaubernde Landschaft rundum bot. Aber Nessie wollte sich nicht zeigen; da half alles Suchen und Rufen nichts. Dafür präsentierten sich bei der anschliessenden Besichtigung der eindrücklichen Ruinen des Urquart Schlosses Männer in historischen schottischen Gewändern und liessen uns durch beschauliche Erklärungen zu Sitten und Gebräuchen in alte Zeiten eintauchen.
Am Abend erreichten wir unsere Unterkunft für weitere zwei Tage, das Hotel “Glencoe”, das an traumhafter Lage am Fusse des Glencoe Gebirges und unmittelbar am idyllischen Loch Linnhe liegt. Dass eine 55-köpfige Reisegruppe schon zum zweiten Mal in einem so speziellen Hotel Platz findet, kann nicht unbedingt erwartet werden, weshalb dies auch besondere Anerkennung und Freude auslöste. Alle waren sich einig, dass sie hier gut und gerne eine extra Woche länger verweilen würden.
Aber am folgenden Tag warteten schon die nächsten Highlights.
Eine nostalgische Dampfzugfahrt mit dem berühmten Jacobite Steam Train, auch als “Harry Potter Train” bekannt, führte uns entlang der prachtvollen “Strasse der Inseln” von Fort Williams nach Mallaig, an der Atlantikküste. Dabei fuhren wir über das bekannte, 380 m lange, Glenfinnan Viadukt – ein omnipräsentes Wahrzeichen Schottlands und ein Postkartenidyll schlechthin.
In Mallaig trafen wir wieder auf unseren Bus. Eine Fähre brachte uns auf einer tollen Überfahrt mit spektakulärem Ausblick zur Isle of Skye, der grössten Insel der inneren Hybriden. Wir streiften aber nur einen südlichen Teil, um wenig später über die 500 m lange Skye Bridge wieder auf schottisches “Festland” zu gelangen.
Der nächste Halt galt einem weiteren Postkartenidyll und einem der meist fotografierten Sujets Schottlands, dem Eilan Donan Castle. Dieses, in seiner ursprünglichen Form im 13. Jahrhundert erbaute Schloss ist nicht nur wegen seiner geschichtlichen Bedeutung so berühmt, sondern vor allem wegen seiner einzigartigen Lage, denn bei Flut verwandelt es sich in eine winzige Insel, die nur über eine schmale Steinbrücke zu erreichen ist. Es diente deshalb auch als Kulisse für mehrere berühmte Filme von James Bond und “Highlander” bis hin zu Bollywood Romanzen.
Tags darauf gelangten wir durch liebliche Landschaften zum schönsten See Schottlands, dem vielfach besungenen Loch Lomond. Begleitet von den wunderschönen Klängen und Worten des Liedes “Bonny, bonny banks of loch Lomond” genossen wir den Blick aufs Wasser und die hügeligen bewaldeten Ufer.
Ein Abstecher auf unserer Fahrt in südlicher Richtung brachte uns zum berühmten Falkirk Wheel, einem Meisterwerk der Ingenieurskunst. Dieser weltweit einzigartige Bootaufzug, der Boote von einem Kanal zu einem andern befördert, der rund 24 m Höhenunterschied aufweist. Erstaunlich! Und wir konnten das mehr als nur aus der Zuschauerperspektive anschauen; wir konnten es eins zu eins in einem Boot miterleben.
Am Abend erreichten wir Glasgow, die grösste Stadt Schottlands, die wir am nächsten Morgen bei einer Stadtführung näher kennenlernten.
Als Abschluss besuchten wir danach noch das dortige Transportmuseum, in dem es nicht nur alte Eisenbahnen zu bewundern gab, sondern auch Trams, Autos, Fahrräder, Kutschen und einiges mehr aus den Anfangszeiten dieser Transportmittel.
Dann hiess es Abschied nehmen von Schotten und Schottland. Aber nicht ohne auf der Weiterfahrt noch einen Halt in Gretna Green zu machen, dort, wohin früher Minderjährige flüchteten, um sich ohne elterliche Einwilligung durch den Dorfschmied vermählen zu lassen. Da sich in unserer Gruppe jedoch keine Heiratswilligen befanden, beliessen wir es bei einem kurzen Augenschein, bevor wir Hull ansteuerten. Von dort brachte uns die Fähre nach Rotterdam, von wo wir wiederum via Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich in der Schweiz zurückkehrten – müde, aber mit vielen schönen Erinnerungen im Gepäck.