Azoren mit Susanna Bovay Flisch
Susann Bovay Flisch
Azoren – Blütentraum im Atlantik
Eine Reise auf die Azoren liegt 2024 total im Trend. Neun geheimnisvolle Lava-Inseln weit draussen im Atlantik, auf halbem Weg nach Amerika – die älteste von ihnen Santa Maria mit ungefähr 8 Millionen Jahren – weit weg von der Festlandzivilisation und doch irgendwie damit verbunden. Die Azoren liegen auf drei verschiedenen Kontinentalplatten, die sich immer mal wieder etwas aneinander reiben. Unterirdische Vulkansysteme sind nach wie vor aktiv, und auf jeder Insel gibt es zahlreiche Hinweise auf deren Vorhandensein. Jede Insel hat ihre Besonder-heiten: Corvo und Flores, die westlichsten Inseln und die einzigen auf der amerikanischen Platte, entfernen sich gemäss Wikipedia jährlich 1.5 cm weg von Europa. Faial ist die blaue Insel, weil sie ab Mai vor lauter blühenden Hortensienhecken in allen Blautönen leuchtet; Pico rühmt sich des höchsten Berges Portugals mit immerhin 2351 m.ü.M, natürlich ein erloschener Vulkan. Diese Insel ist auch berühmt für ihre Walfanggeschichte und den Weinbau, welcher als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist. Terceira hat die schönste Hauptstadt, Saõ Jorge den besten Käse (besser als jeder Greyerzer!) und Graciosa, ein Wanderparadies sondergleichen und UNESCO Welt-Biosphärenreservat, den hübschesten Namen. Alle diese Inseln während einer Reise zu besuchen braucht viel Zeit, denn von Corvo bis Santa Maria sind es schon mal 604 km Luftlinie.
Doch es gibt eine wunderbare Lösung für das Zeitproblem: sie heisst São Miguel, ist die grösste der Azoreninseln und bietet einen guten Ueberblick über die ganze Inselfamilie. Ausserdem ist hier der internationale Flughafen mit täglichen Verbindungen nach Lissabon, bzw. Drehkreuz und Umsteigeort um die übrigen Inseln zu erreichen. Die achttägige Reise von car-tours «Azoren – Blütenmeer im Atlantik» ist ideal, um sich ein Bild dieser vielfältigen Landschaft zu machen. Die Nordküste oft windig – was die Surfer freut – und steil abfallend, mit starken Kontrasten zwischen dem Blauweiss des aufbrandenden Atlantiks und den schwarzen Lavafelsen – ein Eldorado für Fotografen! Im Südosten reihen sich die kleineren und grösseren Ortschaften mit ihren weiss gekalkten Häusern und dekorativen schwarzen Basaltverzierungen aneinander. Dazwischen erheben sich unzählige erloschene Lavakegel mit eingestürzten Kratern, welche eindrückliche Landschaften geformt haben. Das Wetter auf der Insel ist wechselhaft – man kann mit allen vier Jahreszeiten an einem Tag rechnen, eine Wind- oder Regenjacke im Gepäck ist von Vorteil. Schnee kennt man hier aber nicht, und die Tages- und Nachttemperaturen weichen nicht gross voneinander ab. Das «Azorenhoch» heisst ja auch nur so, weil bei der Entdeckung dieses Wetterphänomens viel weiter südlich im Atlantik diese Inseln für die Namensgebung am nächsten lagen…
Ponta Delgada ist die Hauptstadt und verwaltet die seit 1976 politisch autonomen, zu Portugal gehörenden Azoren. Unser Hotel liegt im Zentrum, und in wenigen Minuten erreicht man entweder das berühmte Stadttor mit den drei Bögen auf dem Hauptplatz bei der Kirche oder – in anderer Richtung – den einmaligen botanischen Garten von José do Canto, einem Botaniker und Naturliebhaber, der im 19. Jahrhundert sämtliche interessante Flora nach São Miguel gebracht hat. Leider auch Neophyten wie den Zieringwer, welcher inzwischen den heimischen Pflanzen Konkurrenz macht und überall ungebremst wuchert. Sowas bemerkt man halt oft erst zu spät.
Wir sehen auf unseren täglichen Ausflügen, begleitet von unserer charmanten einheimischen Reiseleiterin, einen Querschnitt durch die hiesige Botanik – die Hortensien haben erste grüne Knospen, doch gerade blühen die Kamelienbäume in einer unermesslichen Farbenpracht und die Azaleenbüsche verzaubern uns ebenfalls. Für die schneeweissen Calla-Lilien macht unser Bus sogar einen separaten Fotostopp! Die unzähligen Grüntöne der erwachenden Natur begeistern, und der Kontrast zwischen blauem Himmel, sanftgrünen Hügeln und dunkelblauem Wasser ist hinreissend. Man kann sich kaum von diesem Schauspiel lösen und würde am liebsten den ganzen Tag einfach nur dasitzen und staunen. Die Azoren tun der Seele gut! In den beschaulichen Ortschaften findet man überall eine Pasteleria, wo es zuckersüsse Cremetörtchen zu naschen gibt, abgerundet mit einem Zentimeter starken Kaffees. Wunderbar! Bei Furnas wird unser Mittagessen im heissen Boden während sechs Stunden niedergegart, und wir geniessen einen genussvollen Eintopf mit viel Gemüse, saftigem Rind- und Schweinefleisch, Huhn und einheimischer Blutwurst. Den muss man unbedingt probieren, denn der Cozido ist ein typisches Festessen in dieser Gegend, wo die heissen Quellen und Fumarolen seit Jahrhunderten Kochherd sind. Die tiefen Kraterseen, denen wir auf unseren Ausflügen sowohl in Lagoa do Fogo als auch in Sete Cidades begegnen, liefern das Süsswasser für die ganze Insel. Gemächliche Wanderungen laden zum Geniessen ein, und bei der zeitigen Rückkehr in unser Hotel reicht es auch für einen Besuch des Wellnessbereich mit Schwimmbad und Dampfbad vor dem Abendessen.
Die achttägige Reise bietet eine gute Grundlage für einen weiteren Besuch einer der kleineren Inseln. Als Auftakt für alle Azoren-Neulinge ist São Miguel ein idealer Einstieg, der zu jeder Jahreszeit unbedingt lohnenswert ist und einmalige Erfahrungen bietet. Der Heimflug führt via Lissabon, wo uns die hell erleuchtete Silhouette der Stadt verabschiedet, bevor es zurück in die winterliche Schweiz geht.
Einen Hauch von Frühling nehmen wir trotzdem mit nach Hause.
Susann Bovay Flisch, begeisterte Azoren-Reisende