Traumstrassen des Nordens mit Gisela Jähn
Gisela Jähn
Traumstrassen des Nordens
Um es gleich vorweg zu nehmen, der Titel „Traumstrassen des Nordens“ wird dieser phantastischen Reise in jeglicher Hinsicht gerecht. Aber nun erstmal der Reihe nach. Die Beweggründe, eine solch lange Gruppenreise zu buchen, sind vielfältig : einmal im Leben die Mitternachtssonne sehen, in Gesellschaft reisen, nicht selber fahren müssen, drei wunderschöne Länder, Norwegen, Schweden und Finnland, kennenlernen. Mit 27 Gästen „im Gepäck“ starteten wir an einem frühen Samstagmorgen in Sargans zu unserem skandinavischen Abenteuer. Gäste aus diversen deutschschweizer Regionen kamen zusammen – Sargans, Pfäffikon, Luzern, Zürich, Winterthur, Aarau, Bern, Thun und Basel. Dani von der Firma Zerzuben war unser erster Chauffeur, d.h. er begleitete uns die ersten 10 Tage, wurde danach von Jürg, ebenfalls von Zerzuben, für die zweiten 10 Tage abgelöst. 10 Tage ist das Maximum, das ein Chauffeur am Stück arbeiten darf, danach ist eine Mindestpause von 2 Tagen Pflicht.
Nach einer ersten Zwischenübernachtung in unserem „Stammhotel“ in Hannover stand am Folgetag bereits ein erstes Highlight auf dem Programm. Die Fährüberfahrt von Kiel nach Göteborg. Bevor es allerdings „Schiff ahoi“ hiess, verbrachten wir die Mittagspause bei Traumwetter bei den Landungsbrücken in Hamburg. Die „Stena Scandinavica“, unser, unter schwedischer Flagge fahrendes, schwimmendes Hotel brachte uns innerhalb knapp 16 Stunden bei relativ ruhiger See, von Deutschland nach Schweden.
Auf der Weiterfahrt nach Stockholm war der Besuch des „süssen“ Städtchens Gränna Pflichtprogramm. Kein Tourist der Welt, der diese Strecke fährt, verzichtet darauf – es ist ein absolutes MUSS. Gränna hat seine Berühmtheit im Jahre 1859 durch die Witwe Amalia Eriksson erlangt, der vom Magistrat die Erlaubnis erteilt wurde, Zuckerbackwerk herzustellen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Daraus entwickelte sich, bis ins Heute, ein weltweites Netz an Süsswaren, dem sog. „Polkagris“.
Nach einer interessanten Stadtrundfahrt in Schwedens Hauptstadt hiess unser nächstes morgendliches Etappenziel Uppsala, die traditionelle und bekannte Universitätsstadt, die mit ihren 150 000 Einwohnern, nach Stockholm, Göteborg und Malmö als viertgrösste Stadt Schwedens gilt. Kurz darauf wähnte man sich beinahe in San Francisco, hat doch die „Högakustenbron“ , die Hochküstenbrücke über den Ångermanälven , den wasserreichsten Fluss Schwedens, eine sehr grosse Ähnlichkeit mit diesem legendären kalifornischen Bauwerk.
Dass wir am nächsten Tag tatsächlich den 1. August schrieben, musste man sich regelrecht ins Gedächtnis rufen, hätte man doch aufgrund der weihnachtlichen Stimmung im Santa Claus Dorf in Rovaniemi meinen können, das Christfest stehe jeden Moment vor der Türe. Mit Rovaniemi verhält es sich wie mit Gränna, ist man als Tourist in der Nähe, MUSS ein Besuch einfach sein. Man kann als sommerlicher Gag bereits jetzt Weihnachtsport schreiben und in den entsprechenden Weihnachtsbriefkasten einwerfen – der Gruss kommt garantiert kurz vor dem Fest beim Empfänger an und löst so manches Erstaunen aus. Es war aber nicht nur der Santa Claus, der uns erwartete, nein auch die lang ersehnten Rentiere durften wir endlich aus der Nähe sehen, füttern und streicheln. Der samische Bursche, den ich bereits vor 8 Jahren kennenlernen durfte, hat uns in der typischen Behausung der Samen, im „Goathi“ und in Landestracht gekleidet, mit Tee, Kaffee und Keksen bewirtet und uns dazu die Geschichte der vier Winde erzählt.
Zudem durften wir an diesem Tag, unserem Nationalfeiertag, noch ein weiteres Highlight erleben, die Überquerung des Polarkreises. Dieser befindet sich auf 66° nördlicher Breite (auf der Südhalbkugel entsprechend 66° südlicher Breite) und trennt das gemässigte Klima vom Polarklima. Während einer gewissen Zeit im Jahr geht über dem Polarkreis die Sonne nie unter, bzw. nie auf. Selbstverständlich wurde dieser historische Moment mit einem Gläschen Schnaps gebührend gefeiert.
Mehr über das indigene Volk der Samen erfuhren wir zudem im „Sapmi“ Museum in Karasjok. Auch dort hat uns ein Einheimischer, in einer etwas anderen Tracht, über das Leben und Arbeiten dieses Volkes erzählt. Nur noch wenige Menschen dieses Volkstammes leben ausschliesslich von der Rentierzucht, die meisten gehen einer „ganz normalen“ Arbeit nach und betreiben die Rentierzucht nur noch nebenbei. Rentiere, die zur Gruppe der Hirsche gehören, sind sog. halbdomestizierte Tiere, das bedeutet, dass jedes Tier wohl jemandem gehört, sie sich während der Sommermonate aber frei bewegen und nur im Winter bei ihrem Besitzer leben. Dort werden sie, je nach Konstitution, als Schlittentiere für touristische Zwecke eingesetzt oder sie dienen als Lieferant für Fleisch, Fell- und Hornprodukte. Rentier- und auch Elchfleisch kann ich jedem empfehlen, es schmeckt sehr gut.
Das Nordkap – der Sehnsuchtsort so vieler Menschen – endlich durften wir es an diesem Abend besuchen. Der Besuch dieses legendären Felsplateaus ist immer eine Lotterie – ist es an einem Abend sonnig, kann es am nächsten Tag nebelverhangen sein, sodass man seine Hand nicht vor den Augen sieht. Manchmal kann das Wetter sogar innerhalb weniger Stunden komplett wechseln. Man hat nie eine Garantie. Wir allerdings hatten das grosse Glück, den ganzen Abend und bis nach Mitternacht die volle Sonne zu geniessen. Bis kurz vor Ende Juli geht die Sonne nie unter, da wir ein paar Tage später oben waren, hat sich die gleissende Sonnenkugel allerdings nur einen ganz kurzen Moment Richtung Horizont, kaum merkbar, gesenkt und ist gleich wieder aufgestiegen – ein unvergessliches Schauspiel.
Auf unserem Weg Richtung Tromsö, in der Provinz Troms gelegen, machten wir einen kurzen Stop in der Stadt Alta, berühmt durch die Nordlichtkathedrale. Dieses phantastische Bauwerk besticht durch die Verkleidung mit Titanplatten und den zum Himmel spiralförmig gerichteten Kirchturm, der das Nordlicht versinnbildlicht.
Eine weitere sehr sehenswerte Kirche durften wir am Sonntagmittag besuchen, die Eismeerkathedrale, das Wahrzeichen der Stadt Tromsö. Im Juli kann man an Mitternachtskonzerten teilnehmen und dabei die Sonne durch das Buntglasfenster scheinen sehen.
Es folgten nun Gegenden, die praktischerweise per Fähre erreicht werden können, da man sonst kilometerweite Umwege fahren müsste. Die Vesterålen und die Lofoten sind mitunter etwas vom Schönsten, was man auf einer Skandinavienreise besuchen kann. Man bezeichnet die Vesterålen, zu Unrecht, oft als kleine Schwestern der Lofoten. Vesterålen ist eine Region und Teil einer Inselgruppe etwa 300 km nördlich des Polarkreises. Die Region bietet eine sehr abwechslungsreiche Landschaft: Schroffe Gebirgsformationen erheben sich direkt aus dem Meer, während einsame, weiße Sandstrände Assoziationen mit südlichen Ländern aufkommen lassen. Es gibt Fjorde, Schären, Flüsse und Seen, Moore, einsame Gebirgstäler und kleine Hochebenen. Der höchste Berg der Region ist mit 1.262 m der Møysalen auf der Insel Hinnøya.
Die Lofoten, oder wie sie korrekt eigentlich heissen, die „Lófót“ (so bezeichnete man ursprünglich nur die Insel Vestvågøya und erst später wurde die gesamte Inselgruppe in die Bezeichnung integriert). befinden sich südlich der Vesterålen und können frei als „die Luchspfote“ übersetzt werden, wobei schon viel Phantasie dazu gehört, in der Form der Inselgruppe dieses Tier zu erkennen.
Der Haupterwerbszweig der „Lofotinger“ ist neben dem Tourismus der Fischfang. Der Lofotfischfang findet von Mitte Januar bis Mitte April statt. Den Hauptanteil der Fänge bildet der Kabeljau oder Dorsch, wie er auch genannt wird. Dieser wird zu Klippfisch oder Stockfisch (Tørrfisk) verarbeitet, der vor allem für den Export vorgesehen ist. Ein typisches Utensil dieses Industriezweiges sind die sog. Trockenfischgestelle, die man überall in Meeresnähe sieht und auf denen der Fisch über mehrere Wochen getrocknet wird, bis er so hart ist, dass man ihn zum Weiterverarbeiten, sprich zum Kochen, wieder wässern muss.
Im kleinen Dörfchen mit nur einem Buchstaben, Å, durften wir uns im „Nordischen Fischermuseum“ die Geschichte der Dorschfischerei anschauen. Es gibt, meines Wissens, weltweit nur noch ein weiteres Dorf mit nur einem Buchstaben, Y in Frankreich.
Die nächsten drei Tage waren geprägt von küstennahen Fahrten und traumhaften Landschaften, unterbrochen nur durch zahlreiche kurze Fährüberfahrten. Diese Fähren kann man nicht im Voraus buchen, wenn man Glück hat, erreicht man sie kurz vor der Abfahrt, wenn nicht, muss man durchschnittlich nur etwa 20 Minuten warten, da sie sehr häufig fahren. Dieser Abschnitt wird „Küstenstrasse“ genannt, sie verläuft zwischen Steinkjer und Bodø. Zahlreiche Tunnels und sechs Fähren werden benötigt, um die 650 km zu überwinden. Auf dieser südwärtsführenden Strecke überquerten wir wieder den Polarkreis, dieses Mal allerdings nicht in Rovaniemi, sondern in Storforshei und auch ohne Schnaps ! Selbstverständlich wurde dieser Moment photographisch festgehalten. Mit der Atlantikstrasse hatten wir noch einen weiteren Höhepunkt zu befahren. Dabei handelt es sich um einen 8274 Meter langen und kurvenreichen Abschnitt der norwegischen Reichsstraße 64 zwischen Molde und Kristiansund. Die 1989 eröffnete Strasse verbindet acht Brücken über mehrere kleine Inseln und zählt zu einer weiteren Touristenattraktion.
Geiranger – der bekannteste und bestvermarktete Fjord von ganz Skandinavien ! Wahrscheinlich hat jeder schon mal das klassische Postkartenmotiv dieses Juwels gesehen, nun durften wir es hautnah erleben und Teil davon werden. Es ist ein zweischneidiges Schwert und man muss ehrlich sein – es ist sehr touristisch mit all den grossen Kreuzfahrtschiffen, die tagtäglich dort ankommen – aber ich betone im Bus immer wieder – WIR sind auch Touristen und möchten diesen einmaligen Ort erleben. Auf eine etwas unkonventionelle Art haben einige Teilnehmer und ich uns dies alles angeschaut – mit dem Speedboot, warm und wassergeschützt eingepackt brausten wir mit unserem 12-er Schnellboot durch den Fjord – ein phantastisches Erlebnis !
Etwas gemächlicher und weniger spektakulär ging es am nächsten Tag, einem Sonntag, Richtung Sognefjord zu. Der Sognefjord steht wohl in der Vermarktung etwas im Schatten des Geirangers, wodurch er aber nichts von seiner Schönheit einbüsst. Er hat nämlich auch eine Superlative vorzuweisen, handelt es sich dabei doch um den längsten Fjord von Europa. Mit seinen 205km Länge und einer Maximaltiefe von 1300 Meter wird er nur vom „Kangertittivaq“ auf Grönland übertroffen.
In Hafslo – einem winzigen Örtchen mit etwa 600 Einwohnern, das kaum auf einer Weltkarte aufgeführt ist, durften wir, wie schon vor einem Jahr, wieder im entzückenden Hotel Eikum eine Nacht verbringen. Obwohl dieses Hotel nicht dem Ideal eines modernen Hotels entspricht, waren alle Gäste restlos begeistert von dieser Unterkunft. Beim ersten Schritt in dieses Haus fühlt man sich in seine Kindheit zurück versetzt, wenn man die Grosseltern besucht hat. Überall stehen Relikte aus vergangenen Zeiten, liebevoll dekoriert – man muss sich einfach wohlfühlen. Viel dazu beigetragen hat auch das äussert zuvorkommende Personal, allen voran der schon recht betagte Hausherr und das vorzügliche Essen. Wir kommen wieder !
Auf unserem Weg nach Oslo, der letzten Station in Norwegen, stand noch der Besuch der Stabkirche in Borgund auf dem Programm. Heutzutage gibt es noch 28 Stabkirchen in ganz Norwegen, im 12. Jahrhundert, als diese Bauart populär wurde, waren es landesweit etwa 1000 Stück. Den Unterschied zur traditionellen Bauweise machen die vertikalen Stämme, oder eben Stäbe, aus, deshalb auch der Name Stabkirche. Sie wurden zur Zeit des Übergangs vom Heidentum zum Christentum erbaut und weisen demzufolge Verzierungen aus beiden Epochen auf, z.B. Drachenköpfe aus der Wikingerzeit und Kreuze als Symbol des Christentums.
Mit der Stadtrundfahrt in Oslo erlebten wir den letzten skandinavischen Besichtigungspunkt unserer Reise. Unsere lokale Reisleiterin Anne zeigte uns unter kundiger Führung die bekanntesten Hotspots der norwegischen Hauptstadt – Holmenkollen mit der Skisprungschanze, der Hafen mit der Oper und dem Munchmuseum oder den Vigeland Skulpturenpark. Gleich anschliessend hiess es zum zweiten Mal „Leinen los“ – die Luxusfähre des „Color Line“ erwartete uns für die Überfahrt nach Kiel.
Wüsste man es nicht besser, man würde sich auf einem Kreuzfahrtschiff wähnen. Luxus wo man hinschaute – angefangen vom herrlichen Abendessen- und Frühstücksbuffet, über diverse Bars, einer Einkaufsstrasse, einem Casino, einem Showroom, einem grossen Dutyfree-Store bis hin zum Wellnesscenter. Die „Fantasy“ liess keine Wünsche offen. Innert 20 Stunden brachte uns die „Color Line „ bei ruhiger See am nächsten Morgen um 10 Uhr wohlbehalten nach Kiel.
Bevor wir zur letzten Übernachtung vor der Heimreise nach Hannover fuhren, statteten wir dem hübschen Städtchen Lünebrug bei herrlichstem Wetter noch einen ausgedehnten Besuch ab. Und dann war er doch da – der 20. und letzte Tag einer unvergesslichen Reise. Hatte man zu Beginn der Reise das Empfinden, 20 Tage wären eine unendlich lange Zeit, schaute man nun zurück und hat sich gefragt – wo ist die Zeit geblieben ?
Liebe Reiseteilnehmer, ich bedanke mich, auch im Namen unserer beiden Chauffeure, Dani und Jürg von Herzen für die wunderbare Reise. Und obwohl wir nur einen einzigen Elch gesehen haben, kann ich Euch versichern, wie waren definitiv auf den TRAUMSTRASSEN DES NORDENS
Irgendwann und irgendwo sehen wir uns wieder – wir freuen uns darauf.
Herzlichst
Gisela, Dani und Jürg