Auf den Spuren der Wikinger durch das Polarmeer
Es berichtet für Sie unser Reiseleiter
Pedro Lipp
Der Weg ist das Ziel!
Wie wurdest Du Reiseleiter?
Ich habe an einer höheren Fachschule Tourismus studiert. Ich wollte schon immer die weite Welt entdecken. Nun bin ich seit 1986 im Tourismus auf allen Kontinenten tätig, teilweise auch stationär. So war ich z.B. auch Clubchef für einen Sportreiseveranstalter.
Welche Eigenschaften braucht es, um diesen Beruf professionell auszuüben?
Für mich sind das wichtigste die vier grossen M: Man Muss Menschen Mögen. Dazu sind Organisationstalent, Troubleshooting in allen Situationen und Kommunikationsfähigkeiten sehr wichtig.
Was sind Deine liebsten Reiseziele als Reiseleiter?
Eigentlich mag ich die ganze Welt. Ich freue mich auf jede Reise. Wenn ich aber etwas hervorheben muss, sind es die exotischen noch zu entdeckenden Reiseziele und der hohe Norden.
Was macht eine car-tours-Reise aus?
car-tours Reisen sind sehr gut organisierte Reisen mit super Cars – bequem ab der Schweiz nach ganz Europa bis hoch zum Nordkap. Wir Reiseleiter sind immer darauf aus, dem Gast noch mehr zu geben, als ihm versprochen wurde.
Verreist Du auch in den eigenen Ferien? Wenn Ja, wohin?
Sehr gerne bleibe ich zu Hause in den Bergen. Ich bin aus Graubünden und wohne im Glarnerland. Aber wenn ich verreise, dann tue ich das mit meinem 15-jährigen Sohn. Wir machen gerne sehr sportliche Ferien in einem Clubhotel, wo die Sonne scheint.
Auf den Spuren der Wikinger durch das Polarmeer
Wir begannen zivilisiert mit der norwegischen Hauptstadt Oslo. Aus dem Flugzeug sahen wir schon, dass auch Norwegen diesen Sommer unter der Trockenheit litt. Stadtbesichtigung war angesagt mit den üblichen Attraktionen wie Holmenkollen-Schanze und Vigeland Park. Zur Vorbereitung unserer Polarexpedition besuchten wir zusätzlich eines der ersten Polarschiffe, das berühmte Schiff der Polarforscher Fridtjof Nansen und später Roald Amundsen, die Fram. Kein Holzschiff fuhr jemals – weder im Süden noch im Norden – auf höheren Breitengraden als die Fram, die 1892 gebaut wurde.
Eigentlich wollte ich ein Tagebuch schreiben, aber da wo die Tage nie aufhören und es immer hell bleibt, fliessen die einzelnen Tage ineinander. Da wo es Tag und Nacht was zu sehen und zu erleben gibt, weiss man nicht mehr wann ist heute und wann ist morgen. Wir flogen von Oslo auf die Insel Spitzbergen, die grösste Insel des Svalbard Archipels. Longyearbyen, der Hauptort mit seinen 2000 Einwohnern, lebt von Forschung, Tourismus und einer Kohlemine, die noch aktiv ist. Nirgendwo auf der Welt leben Menschen so nahe am Pol. Wir sind in der Arktis angekommen und geniessen die 10 Grad im August nach der Hitze zu Hause. Nun geht unser Abenteuer los. Einschiffung mit Gummibooten (Zodiacs) auf unser Expeditions-Schiff, die MS Spitsbergen. Auf der nächtlichen Fahrt Richtung Norden dreht das Schiff plötzlich. Die isländische Ornithologin Saga hat einen Eisbären gesichtet. Wird es der einzige sein? Wir hoffen auf mehr, denn er ist wirklich weit weg. Am nächsten Morgen gehen wir in der Forschungssiedlung Ny Ålesund an Land. Kein dauerhaft besiedelter Ort der Welt liegt nördlicher als dieser. Am Nachmittag ankern wir im Magdalenefjord und erleben das erste Mal eine nasse Anlandung, sprich beim Aussteigen aus dem Zodiac muss man ins 5 Grad kalte Wasser, mit den Gummistiefeln allerdings. Nun sind wir noch etwas mehr als 1000 Kilometer vom Nordpol entfernt. Bei jeder Anlandung steht das Expeditionsteam mit Gewehren und Signalpistolen Eisbärenwache, zum Schutz von uns und den Eisbären. Als ich auf einer früheren Expedition mal hier war, mussten wir einen Eisbär mit Schüssen in die Luft vertreiben. Der Bär schwamm auf die andere Seite des Fjords. Die Fahrt geht weiter durch die letzten Fjorde im Nordwesten Spitzbergens. Wir überholen ein Segelschiff, es sollte das letzte Schiff sein für lange. Die letzten Gletscher, die bis ans Meer runter kommen ziehen an uns vorbei. Nun geht es raus in das offene arktische Meer. Nach knapp 2 Tagen Fahrt treffen wir auf Eis über das die MS Spitsbergen rumpelnd und knirschend gleitet. Langsam schleicht sich unser Schiff durch den dichten Nebel zwischen den Eisbergen hindurch. Die Stabilisatoren müssen eingezogen werden, weil sie vom Eis beschädigt werden könnten. Wir kommen kaum vorwärts und schaffen es nicht zeitgerecht in die Myggbukta (Mückenbucht). Anstatt unserer ersten Anlandung in Grönland müssen wir den Kurs ändern. Wir fahren in den Kejser Franz Joseph Fjord hinein. Auf den Eisschollen sichten wir Robben. Der Nebel bleibt dicht. Um etwa 1 Uhr nachts zeigen sich kurz Berge, einige unermüdliche Fotografen strömen sofort aufs Aussichtsdeck. Gegen Mittag kommen wir mit Verspätung in der Blomsterbukta an. Trotz Nebel wagen wir die Anlandung in der Blumenbucht und werden belohnt. Der blaue Himmel setzt sich durch, fantastische Aussicht in die Berglandschaft und Blumen gibt es wirklich. Dass es hier auch Moschusochsen gibt, beweisen ihre Hinterlassenschaften und ein Schädel. Auch vom Eisbär sehen wir Spuren, Fuss-Spuren.
Durch den schönen Antarctic Sund geht es weiter auf die Insel Ella Ø, heutiges Sommerquartier der Sirius Patrouille. Die Schlittenpatrouille der dänischen Marine wird zur Verteidigung Grönlands und zur Überwachung des Nationalparks eingesetzt. Wir wandern bei herrlichem Wetter rund um den Trinkwassersee. Unsere zu warme Winterkleidung hat immerhin den Vorteil, dass sie die vielen Mücken abwehrt. Ella Ø liegt am Ende des Kong Oscar Fjords. In der Nacht kommt wieder Nebel auf. Ab und zu sieht man majestätische schneebedeckte Berge, die bis zu 1500 Meter hoch sind.
Am nächsten Tag traumhafte Landschaft, das Schiff gleitet unter blauem Himmel über das ruhige blaue Wasser in dem sich die Berge spiegeln. Wir besuchen Nyhavn / Mestersvig wo uns zwei Soldaten der dänischen Armee Poloshirts verkaufen. Meine lieben Gäste benutzen die Gelegenheit, endlich mal zu shoppen, auch wenn die Auswahl auf zwei Produkte beschränkt ist. Die beiden Soldaten sind ein Jahr hier stationiert und halten die Souveränität von Dänemark durch Präsenz aufrecht. Monatelang sehen sie niemanden, der Fjord ist nur im August eisfrei. Im Winter werden sie durch Fallschirmabwürfe versorgt. Unser Aufstieg zu zwei Aussichtsbergen mit spektakulärer Sicht, ist steil und warm. Von oben sehe ich einen grauen Polarfuchs. Die Moskitos stechen durch die Kleidung. Zur Abkühlung gehe ich im 4 Grad kalten Wasser mit den Eisbergen schwimmen. Christina in meiner Gruppe macht das an jedem Anlandungsort wo es gestattet wird. Sie sagt, sie sei in den Badeferien. Nun sind es über 200 Seemeilen bis zu unserem nächsten Anlandeort. Es wird also einen Seetag geben, denn es wird mit Eis und Nebel gerechnet. Wir erleben den ersten Sonnenuntergang seit einer Woche. Am Morgen werden wir überrascht mit der Durchsage, dass wir besser vorankommen als gedacht. Wir können eine spontane Anlandung planen. Wir fahren in den Scoresbysund (auf Grönländisch Kangertittivaq) ein. Das riesige Fjordsystem ist das grösste der Welt. Es breitet sich über eine Fläche von 38’000 Quadratkilometern aus und ist bis zum Inlandeis 350 km lang. In diesem System werden wir die nächsten Tage verbringen. In Dombrava im Hurry Inlet, einem Seitenfjord, gehen wir an Land. Über moos- und flechtenbewachsenes Land wandern wir in unseren Gummistiefeln zur Hochebene, wo sich uns ein herrlicher Anblick über die weite Landschaft mit einem Gletscher bietet. Wie immer steht das Expeditionsteam mit seinen Gewehren bereit. Das gibt uns Grund, weiterhin auf Sichtung eines Eisbären zu hoffen. In der Nacht dringen wir tiefer ein in den Scoresbysund, der bis 50 km breit ist. Wie fast jeden Morgen wird ca. 2 Grad Celsius gemeldet. Grandiose Berglandschaft zieht an uns vorbei. Oben drauf sehen wir sehr dicke Schneefelder, welche gegen 50 Meter dick aussehen. Am Nachmittag landen wir in Hekla Havn. Der Nebel kommt und geht. Sumpf, Schneefelder, Bergbäche, kein Wind, ideale Bedingungen für Mücken. Im aufziehenden Nebel könnten sich Bären verstecken. Die Passage der heutigen Nacht verspricht derart spektakulär zu werden, dass viele Gäste den grossen Teil der Nacht aufbleiben wollen. Wir fahren durch die engen Fønfjord und Rødefjord. Felsige steile Berge links und rechts, teilweise schneebedeckt. Die Eisberge werden immer grösser und zahlreicher. Um 23.30 wird das Eis zu viel. Wir müssen umdrehen und einen anderen Weg suchen. Am nächsten Morgen kommt die Durchsage, dass wir in Bjørneøer nicht anlanden können, da es nicht so aussieht wie auf der Karte. Sprich: Es hat Eis. Das Gebiet wird nicht häufig befahren, so gibt es kaum aktualisierte Karten.
15.8. Um 9 Uhr landen wir mit unseren Zodiacs in Ittoqqortoormiit, ein Inuit Dorf mit ca. 500 Einwohnern. Der Nachbarort Tasiilaq im Süden liegt 800 Km entfernt. Individueller Spaziergang durchs Dorf. Farbige Häuser, Kinder, Souvenirshop, viele Hunde. Noch immer ist die Jagd der Haupterwerb der Bevölkerung. Das Gebiet um den Scoresbysund gehört zu den besten Jagdgebieten Grönlands. Gespräche mit den freundlichen Menschen, die mir über das Fischen und die Jagd erzählen. Ein Mal fotografieren wir uns gegenseitig. Um 15 Uhr legen wir ab Richtung Island. Durchsage: Wir sollen alles befestigen, es könnte einige Wellen haben in der Danmark Strait. Und als wir Grönland schon fast den Rücken kehren, wird ein Eisbär gesichtet, oben auf einem Felsen, den wir eigentlich wegen den Vögeln beobachten wollten. Alle stürmen aufs Oberdeck und jeder kriegt durchs Fernglas einen Blick und mit guten Kameras auch Fotos vom Eisbär, der ziemlich faul manchmal den Kopf hebt um uns genauer anzuschauen. Heute Abend ist noch die Crew Show angesagt, eine Abwechslung zur sonstigen Abendunterhaltung, die aus den jeweiligen Informationstreffs zum nächsten Tag, einem Quiz und einer Modeschau, bestand. Fast jede Nacht gab es aber sehr viel zu sehen, draussen in der vorbeigleitenden Natur. Nun schaukelt und rollt das Schiff. Die Crew Show wird abgesagt weil einige Mitglieder der Crew krank sind.
Diesen Bericht habe ich jede Nacht auf Deck 6 geschrieben. Das ist das Panoramadeck. Schneebedeckte Berge, gewaltige Gletscher bis zum Meer, karge Berge, Bilderbuchlandschaft….es gibt keinen schöneren Arbeitsplatz.
Euer Reiseleiter
Pedro Lipp