Zur Inhalts-ID springen

Bahnromantik in England und Wales

Bericht vom 14. – 21. Juni 2017 | Bus Nummer 14                              

Weiterempfehlen / Teilen

Es berichtet für Sie unsere Reiseleiterin

Bahnromantik in England und Wales 2

Roswitha Gassmann

«Was suchen wir andere Länder unter anderer Sonne? Entkommt, wer sein Land hinter sich lässt, sich selber?» von Horaz

Wie bist du Reiseleiterin geworden?

Ich war als Gast unterwegs in einer Gruppe. Als der Reiseleiter entdeckte, dass ich mich in mehreren Sprachen mit Leichtigkeit unterhielt, sagte er mir: «Wir brauchen ganz dringend Leute wie Sie». Da ich gerade an einem beruflichen und privaten Scheideweg stand, nahm ich die Aufforderung an und bewarb mich – mit Erfolg.

 Was zeichnet dich als Reiseleiterin aus?

Die Neugierde für neue Länder, Geschichten, Kultur, aber auch die Freude an den Menschen, die ich betreue.

Worin siehst du die Vorteile / den Mehrwert einer Gruppenreise?

Die Gäste sitzen im Bus, können hinausschauen, schlafen, lesen, und an den Zieldestinationen ist alles organisiert. Die Gäste können sich entspannen und gehen lassen. Oft entstehen anlässlich solcher Gruppenreisen Freundschaften auf ewig.

Was gefällt dir an deinen Aufgaben als Reiseleiter bei Car Tours am besten?

Den Gästen zu einem unvergesslichen Erlebnis zu verhelfen. Die meisten sind sehr, sehr dankbar dafür.

Welches Reiseziel in Europa ist dein liebstes und warum?

Ein Kollege hat mir einmal gesagt: «Touristen reisen nur an schöne, spannende Orte, deshalb ist jede Destination reizvoll». Seither muss ich immer an ihn denken, wenn mir diese Frage gestellt wird. Mir gefällt es überall – am besten vielleicht dort, wo das Essen gut!

Welche drei Dinge sind auf jeder Reise unverzichtbar?

Gute Gesundheit, Humor und die Zahnbürste

Was ist das lustigste, was du auf einer Reise mit einer Gruppe erlebt hast?

Hier hätte ich ein paar Geschichten auf Lager, allerdings stammen sie alle aus meiner Kuoni-Zeit. Ich kann jederzeit gerne nachliefern. Hier mal ein Beispiel:

Lang ist’s her: In Gran Canaria flogen jeden Sonntag zwei Schweizer Chartergesellschaften ein. Sata um 11.00 Uhr morgens, Balair um 13.00 Uhr nachmittags. Eines Tages kam Sata mit Verspätung und die Balair verfrüht an. Beide landeten um 12.00 Uhr. Mein Kollege von der Konkurrenz hatte auf beiden Maschinen Ankünfte und musste daher mit seinen verschiedenen Listen hantieren. Also fragte er alle Leute: „sind Sie mit der Sata oder mit der Balair gekommen?“ um gleich zu wissen, welche Liste er zur Hand nehmen musste. Da kam ein mittelalterlicher Herr, schaute Dominik auf seine 

Frage hin entsetzt an und sagte: „Ich?? Ich bin mit meiner Mutter gekommen“!!

 Welches war das schönste Kompliment, das du von einem Gast erhalten hast?

Kürzlich: Es gab zwei Höhepunkte auf dieser Reise: die Oper Nabucco und Sie.

Was war dein schönstes Erlebnis bei Car Tours Reisen?

Auf meiner letzten Reise, als 47 Gäste in einer Weinverkostungskantine «joyeux anniversaire» für mich sangen. Dabei hatte ich es geheim behalten wollen.

Bahnromantik in England und Wales

Im doppelten Sinne ist dieser Titel gemeint: Nicht nur die alten, ursprünglich bereits ausgemusterten Züge sind romantisch. Nein, auch die Gegenden, die wir mit Car Tours bereist haben, tragen ausgesprochen romantische Züge. Spätabends sind die letzten Gäste meiner Gruppe in Genf sozusagen «gelandet». Nach acht Reisetagen finden wir wieder zurück in die schweizerische Realität, deren Effizienz und Sauberkeit – in den Alltag halt. Wir sind alle voller unvergesslicher Eindrücke von herrlichen Landschaften, entzückenden alten, historischen Häusern, eindrücklichen Festungen, von Blumenpracht. Fast die ganze Reise über erfreuten wir uns an strahlendem Sonnenschein und hohen Temperaturen – eher unüblich für die britische Insel.

Die Anreise ist lang, aber sie gibt dem Reisenden auch Gelegenheit abzutauchen. Einzutauchen in die Geschichte, die Frankreich, Belgien und die Niederlande über Jahrhunderte mit England verbindet. Sie ermöglicht einem die (geistige) Öffnung für Neues. Für Verständnis. Für Aha-Erlebnisse.

Die Überquerung der Nordsee von Hoek van Holland bis nach Harwich ist ein Ereignis erster Güte: Die Stena Line ist ein elegantes Fährschiff mit schönen Kabinen und erstklassiger Küche, so, dass man sich bereits zu Beginn der Reise wieder auf die Rückreise freut! Die Rundreise beginnt mit dem Besuch einer berühmten Stadt: Cambridge. Seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts ein Hort der geistigen Elite Englands, inzwischen jedoch Treffpunkt der Weltbesten, ist sie heute mit 31 Colleges und rund 22’000 Studenten ein Ort geballter Innovationskraft. Die mächtigen Gebäude strahlen eine majestätische Ruhe aus. Viele sind umgeben von grosszügigen, gepflegten Grünflächen. Man hat Lust, sich einfach hinzusetzen und die Atmosphäre in sich aufzunehmen. Oxford, die Rivalin, besuchen wir am Nachmittag. Die beiden altehrwürdigen Städte streiten sich regelmässig um den vordersten Platz im britischen Ranking der besten Universitäten des Landes. Cambridge ist ruhig, fast leise. Oxford hingegen, dessen Universität etliche Jahre vor jener von Cambridge gegründet wurde, ist eine zwar attraktive, aber unruhige Stadt. Die grossen Colleges wirken wie Fremdkörper in dieser Stadt, die eben nicht ausschliesslich Universitätsstadt ist. Harry-Potter-Film-Fans werden sich an die Hogwarts-Schule der Zauberer erinnert fühlen – zu Recht, hier wurden nämlich die Szenen gedreht.

Am 3. Tag führt die Fahrt mit Rolf Dirren, unserem wunderbaren Zerzuben-Fahrer, durch die Cotswolds. Diese sattgrüne Gegend, die gerne als das Herz Englands bezeichnet wird, lässt die Gespräche verstummen: Es ist Zeit, die grossartige Landschaft zu geniessen. Hunderttausende von Schafen dürften es sein, die in der lieblichen, hügeligen Landschaft weiden; aber auch weissen und braunen Kühen oder – seltener – Ziegen schauen wir beim Grasen zu.

Allzu schnell kommen wir in Kidderminster an: Hier erwartet uns die Severn Valley Railway. Die Verantwortlichen haben die alte, ursprüngliche Bahnstation herausgeputzt, wie ein Museum präsentiert sie sich. Auffallend viele Weisshaarige arbeiten für diese wiederauferstandenen Bahnlinien aus dem 19. Jahrhundert. Es sind «Volunteers», Freiwillige, erzählt mir einer dieser älteren Herren: «Eisenbahnen sind unsere Leidenschaft», sagt er. Viel Aufbauarbeit scheint auf privater Basis zustande gekommen zu sein. Ich spüre, dass die Herzen meiner Gäste höher schlagen: Eifrig fotografieren sie die Zugskomposition sowie die alten, restaurierten Lokomotiven. Die Strecke ist zwar kurz, aber wir geniessen sie und erfreuen uns an all den Bahnhöfen auf der Strecke, die liebevoll aufgemacht sind.

In Bridgnorth holt uns Rolf ab. Er hat in der Zwischenzeit das historische Städtchen erkundet und weiss, wo wir essen könn(t)en, aber auch wie Gehbehinderte vom unteren Teil des Städtchens in den oberen Teil gelangen können: mit einer Mountain Railway (einer Bergseilbahn). Die Fahrt dauert gerade mal zwei Minuten. In Wrexham übernachten wir im Ramada Plaza Hotel. Die riesigen Zimmer gereichen dem Hotel zur Ehre – genauso wie das Buffet, an dem wir uns zum Nachtessen bedienen können.

Bodnant Garden steht für den nächsten Tag auf dem Programm. Und immer noch strahlender Sonnenschein! Plötzlich erhält das Wort «lustwandeln» eine Bedeutung. Überwältigend die tausenden von Rosen in weiss, rot, rosa, gelb… betörend die Düfte. Dann steigt man hinunter zum Wasser und wähnt sich im Paradies. Man staunt über die grossen Bäume, die vielfältige Pflanzenwelt, die der Wissenschaftler, Geschäftsmann und Politiker Henry Pochin mithilfe seiner Familie angepflanzt hat. Hier wurden im späten 19. Jahrhundert die ersten Magnolienbäume aus China gezüchtet. Wir sehen noch die letzten Blüten der Rhododendren, Azaleen und Kamelien – die ungewöhnlich hohen Temperaturen haben sie etwas früher als sonst verblühen lassen. 25 Gärtner kümmern sich von Montag bis Freitag um diese Fülle von Blumen, Sträuchern, Gräsern und Bäumen, die buchstäblich aus der ganzen Welt importiert wurden. Am Nachmittag dann etwas komplett anderes: die Besichtigung der Burg Caernarfon in Wales. Statt eines Blumenmeeres eine imponierende steinerne Anlage. Auf Englisch wird die Bastion als Schloss bezeichnet, doch handelt es sich schon eher um eine Festung, dramatisch gelegen an der Meeresenge Menai, gegenüber der Insel Anglesey. Der englische König Edward I. liess sie innert kürzester Zeit erbauen und zeigte damit, dass er keinen Spass verstand und Willens war, Wales seine Herrschaft aufzuzwingen. Die Waliser forderten daraufhin, von einem Prinzen regiert zu werden, der nicht nur in Wales geboren, sondern auch der englischen Sprache nicht mächtig war. Mit Edwards‘ Schlauheit hatten sie allerdings nicht gerechnet: Der König präsentierte ihnen – wunschgemäss – den ersten Prinzen von Wales: einen Säugling – seinen in Wales geborenen Sohn, der noch nicht sprechen konnte. Übernachtung im Hotel Celtic Royal. Wahrlich königlich: ein gepflegtes, altes Hotel, gepaart mit modernen Annehmlichkeiten wie Wi-Fi im ganzen Hotel und einem Hallenschwimmbad. Schöne Zimmer, eleganter Speisesaal und bezauberndes Personal: Was für eine Freude, dass wir hier zwei Nächte verbringen dürfen.

Die zweite Zugfahrt steht an: Mit der Ffestiniog & Welsh Railway fahren beziehungsweise vielmehr gondeln wir von Porthmadog nach Blaneau Ffestiniog. Die Eisenbahn ist etwas einfacher in der Ausstattung als die Severn Valley Railway, aber die Fahrt durch einen Teil des Snowdonia Nationalparkes ist atemberaubend… ob ich wohl übertreibe? Meine Gäste sind auf jeden Fall ebenso begeistert wie ich. Blaneau Ffestiniog war während der Blütezeit der Schieferindustrie in Wales ein wichtiger Wirtschaftsstandort. Aber: Die Häuser sind einfach, lauter Steinhäuser, schmucklos, die Preise der zum Verkauf stehenden Liegenschaften sind niedrig. Hier wohnten sicherlich die Arbeiter, der Ort ist nicht unattraktiv, aber die Potentaten lebten zweifellos anderswo… Daher: eine Teepause und weg sind wir. Den Nachmittag verbringen wir in Conwy, einem entzückenden kleinen Städtchen in Nordwales. Das Stadtbild ist geprägt von historischen Gebäuden, nicht zuletzt vom kleinsten Haus Grossbritanniens, in dem zuletzt ein zwei Meter grosser Mann gelebt haben soll. Ob der seine Füsse durch das Fenster gestreckt haben mag, wenn er schlafen wollte?

Rolf hat eine Feuerprobe zu bestehen in Conwy: Mit seinem schönen Bus zwängt er sich beim Verlassen der Stadt durch ein enges, mittelalterliches Portal – wenige Zentimeter bleiben ihm rechts und links. Wir halten alle den Atem an. Aber: Er hätte sich glatt eine Goldmedaille verdient! Applaus. Montag. Ein aufregender Tag! Vorgesehen ist eine Fahrt mit der Llangollen Railway, der einzigen verbliebenen Normalspur in Nordwales. Die Fahrt soll uns über 10 Meilen (16 Kilometer) durch das anmutige Dee Valley nach dem zauberhaften Städtchen Corwen kutschieren. Aber in Carrog ist die Reise zu Ende: Um den Rest der Reise nach Corwen zu bewältigen, hätte es eine zweite Lokomotive und dementsprechend einen zweiten Maschinisten gebraucht. Der ist nie aufgetaucht. Und er war offensichtlich auch nicht auffindbar. Wir stehen also alle ziemlich verdattert da. Da fällt mir Rolf ein! Für ihn wäre es besser gewesen, wenn ich nicht an ihn gedacht hätte. Während die anderen Gäste gezwungen sind, nach Llangollen zurückzufahren, kämpft er sich durch die engen Strassen des Dee Tales… (wie haben wir das früher bloss ohne Natel und ohne Navigationsgerät gemacht?!). Rolf endet auf der falschen Seite des Flusses Dee. Dahin hat ihn sein GPS geführt. Also zurück. Sein GPS verweigert ihm die Anleitung zum Bahnhof, zu alt ist er (der Bahnhof, nicht Rolf), zu selten wird er angefahren und so ist das GPS keine Hilfe. Ich renne die Strasse hoch zur Hauptstrasse, um ihm den Weg zu weisen. Der Weg zur alten Bahnstation ist für einen modernen Bus eine Herausforderung! Aber Rolf schafft es und wir jubeln. Das Mittagessen allerdings fällt aus und wir verköstigten uns notgedrungenermassen mit Fastfood von der Tankstelle. Die Stadtrundfahrt in Liverpool wollen wir nämlich keinesfalls verpassen.

Julie – unsere Lokalführerin in Liverpool – erwartet uns bereits und präsentiert uns anschliessend die Hafenstadt von ihrer besten Seite. Was für eine Überraschung! Die Stadt, die einst eine der wichtigsten Städte des Landes war, unendlich reich dank des Hafens, der Schifffahrt, des Sklavenhandels und der Industrie, wird (wurde?) immer wieder als heruntergekommen beschrieben. Aber zu unserer Verwunderung zeigt sie sich selbstsicher und stolz: grosse, mächtige Gebäude, die meisten aus der Zeit der Hochblüte Liverpools, renoviert, andere wiederum aus heutiger Zeit: Glaspaläste, die von einer neuen Ära Liverpools erzählen. Umwerfend! Und klar, das Beatlesmuseum darf nicht fehlen in unserem Programm. Die Beatles haben eine Zeitenwende eingeläutet, die unser Leben, ob jenes von alt oder jung, bis zum heutigen Tag geprägt hat. Und zwar in jeder Hinsicht. Nicht nur musikalisch haben sie einen Meilenstein gesetzt, nein, die ganze Gesellschaft hat sich in der Folge verändert.

Am letzten Tag in England besuchen wir York. Ein weiteres Highlight! Nina, eine charmante Engländerin begrüsst uns am Rande der Altstadt, wo Rolf parkieren muss. Zu Fuss spazieren wir durch den immer noch intakten mittelalterlichen Kern von York, durch enge Gassen, vorbei an Fachwerkhäusern, die alle die Zeiten überlebt haben und Nina erzählt vom Leben hier, von der Geschichte der mächtigen Kathedrale, der grössten mittelalterlichen Kirche Englands. Wir sind – einmal mehr – überwältigt und eine glückliche Car-Tours-Kundin schwärmt: «Mein grösster Traum ist wahr geworden mit dieser Reise.»

An den Anfang scrollen
Suche